München (epd), Sonntagsblatt, 15. Mai 2024: Eine zunehmende Zahl von Menschen wendet sich an die Bahnhofsmissionen in Bayern. Vor allem die Nachfrage nach Lebensmitteln und materiellen Hilfen steige unverändert an, teilte der Katholische Verband für Frauen- und Mädchensozialarbeit IN VIA Bayern am Mittwoch in München mit. So habe es 2023 fast 500.000 Besucherkontakte bei den bayerischen Bahnhofsmissionen gegeben. Dies sei ein Anstieg von 26 Prozent im Vergleich zu 2022 und von 70 Prozent im Vergleich zu 2019, hieß es weiter.
Allein 250.000 Kontakte gab es den Angaben zufolge am Münchner Hauptbahnhof, in Bayerns größter Bahnhofsmission. Insgesamt boten die bayerischen Bahnhofsmissionen 2023 über eine Million Hilfeleistungen – ein Anstieg von 43 Prozent im Vergleich zu 2022.
Etwa 135.000 Besucherkontakte und damit fast jeder dritte habe sich in irgendeiner Form um Menschen mit psychischen oder abhängigkeitsbedingten Erkrankungen gedreht, sagte Hedwig Gappa-Langer von der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofsmissionen und zuständige Referentin beim IN VIA Landesverband Bayern. Die Arbeitsgemeinschaft ist eine gemeinsame Plattform von Diakonie und IN Via für die bayerischen Einrichtungen. Für die meisten Gäste, deren seelische und auch körperliche Gesundheit nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen sei, seien die Bahnhofsmissionen oft die letzte Anlaufstelle im Hilfesystem, sagte Harald Keiser vom Diakonischen Werk Bayern.
Dass viele Menschen, die bei ihnen Hilfe suchten, „hochgradig psychisch belastet oder auch auffällig“ seien, verschärfe die Situation in den Beratungsgesprächen noch zusätzlich, sagten die Leiterinnen der Münchner Bahnhofsmission, Bettina Spahn und Barbara Thoma. Insgesamt seien auch in München die Kontaktzahlen stark angestiegen. „Bei Krisen und akuten Notlagen führt immer öfters der Weg in die Bahnhofsmission“, so Thoma.
Armut sei das beherrschende Thema geblieben und nehme stetig zu, sagte Michael Lindner-Jung, Leiter der Bahnhofsmission Würzburg. In der Corona-Pandemie hätten viele Hilfesuchende „das Wenige, das sie überhaupt hatten, verloren. Auch den Anschluss an die Gesellschaft, das Leben“. Er baue auf die Solidarität der Gesellschaft, wieder Räume zu schaffen für diejenigen, die ihren Platz verloren hätten.